Angst vor einem neuen Leverkusen-Kater hat der FC Bayern beim Wiesn-Hit keineswegs. Vielmehr will der wiedererstarkte Rekordmeister nach der letztjährigen Demütigung beim Offensiv-Spektakel mit dem Doublesieger die Kräfteverhältnisse wieder zurechtrücken. Erster gegen Zweiter, Vincent Kompany gegen Xabi Alonso, Jamal Musiala gegen Florian Wirtz – der facettenreiche Bundesliga-Gipfel elektrisiert. «Es ist ein wichtiges Spiel gegen die vielleicht beste Mannschaft der letzten zwölf Monate», sagte Kompany. «Es ist gut, dass sich alle auf das Spiel freuen.»
Nach 20 Toren in den vergangenen drei Spielen und einem torreichen Start ins Oktoberfest wollen die Münchner dem Liga-Dominator der Vorsaison am Samstag (18.30 Uhr/Sky) kräftig einen einschenken. «Wir spielen zu Hause gegen den Meister und wollen gewinnen», sagte der 38-Jährige, der auf den zuletzt verletzten Manuel Neuer im Tor hofft. Sieben Monate nach dem niederschmetternden 3:0 der Leverkusener beim letztjährigen ungleichen Topspiel ist die Werkself der erste große Prüfstein in der noch jungen Amtszeit des Belgiers. «Jedes Spiel aus der Vergangenheit ist ein extra Informationspunkt.»
Ohne Lederhose nach München
Die Werkself, die in ihrer Ungeschlagen-Saison am Ende mit imponierenden 18 Punkten vor dem entthronten Serienchampion mit der Schale jubelte, reist mit dem Selbstverständnis des Meisters und nicht mehr mit dem Vizekusen-Image an. «Wir sind bereit», sagte der einstige Bayern-Profi Alonso. «Ich weiß nicht, ob es für Bayern auch das härteste Spiel ist, aber für alle anderen Mannschaften ist das Spiel in München das Härteste.» Seine Lederhose lässt Alonso daheim. «Wir haben keine Zeit dafür», sagte der Baske über einen Bierzelt-Besuch. Für beide Teams geht es in wenigen Tagen in der Champions League weiter.
Das Trainerduell zwischen Kompany und Alonso rückt nach der zähen Münchner Suche nach dem Nachfolger von Thomas Tuchel besonders in den Fokus. Der Leverkusener Meistercoach war anfänglich ein Wunschkandidat – mit der Überraschungslösung Kompany hatte da noch keiner gerechnet. Kompany lachte laut, als er gefragt wurde, ob diese Konstellation eine besondere Motivation mit sich bringe.
Erheiterter Kompany und ein «Ego»
«Es sieht immer so aus, als ob alle ein außergewöhnliches Ego haben. Das ist mir alles völlig egal», sagte Kompany, der Alonso schon als Spieler in der Premier League und in der Champions League gegenüberstand. «Meine Motivation ist: Leverkusen war Meister, sie kommen in die Allianz Arena, wir sind Tabellenführer und wir haben die Möglichkeit etwas für unsere Fans zu tun.»
Über 300.000 Tickets hätte der FC Bayern verkaufen können, 75.000 Zuschauer können sich im Stadion bei der erwarteten Tor-Show in Bierkrug-Stimmung bringen. Und sie können das Duell der zwei Fußball-Genies Musiala und Wirtz bestaunen, die im DFB-Team als magisches Duo «Wusiala» gemeinsam verzückten und jetzt Gegner sind.
«Für solche Spieler geht man ins Stadion»
«Als Fußballfan machen mir beide sehr viel Spaß. Für solche Spieler geht man ins Stadion», sagte Christoph Freund. «Als Sportdirektor von Bayern München macht mir Jamal Musiala sehr viel Spaß. Er ist ein ganz wichtiger Faktor in unserem Spiel.» Keinesfalls minder bedeutend ist Wirtz. «Flo hat den Wunsch, noch besser zu spielen in dieser Saison. Er hat diesen Willen, etwas zu beweisen», sagte Alonso. «Am Samstag brauchen wir den besten Flo.»
Der 21 Jahre junge Musiala erzielte in dieser Liga-Saison schon drei Tore, der gleichaltrige Wirtz sogar vier. Die Angriffsreihen um den Münchner Tor-Garanten Harry Kane und Leverkusens Sturmbrecher Victor Boniface verzücken ihre Fans auch insgesamt. Bayern hat mit vier Siegen und 16:3 Toren einen Startrekord erreicht. Bayer erzielte die zweitmeisten Tore. 13 nach vier Spieltagen sind eingestellter Club-Rekord. Beide konnten mit Offensiv-Stärken aber auch eigene Defensiv-Anfälligkeiten gut kaschieren.
Wer klopft denn da so spät noch an?
Bayerns Rekordspieler Thomas Müller erwartet einen spannenden Wiesn-Gipfel bis zum Schluss. «Sie klopfen so lange an die Tür bis einer aufmacht», sagte der 35-Jährige. «Verrückterweise macht bei Bayer Leverkusen immer einer auf in der Nachspielzeit.» In dieser Saison siegten die Last-Minute-Könige vom Rhein schon wieder zweimal in der Nachspielzeit gegen Gladbach und Wolfsburg. In schmerzhafter Erinnerung ist bei den Münchnern sicher noch das 2:2 aus der Vorsaison, als Leverkusen in der wilden Nachspielzeit ausglich.
Quelle: dpa