Auf der Buchmesse in Frankfurt haben prominente Schriftsteller aus dem diesjährigen Gastland Italien die Rechtsregierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hart kritisiert. «Die politische Macht unterdrückt die Stimmen, die sie nicht hören wollen», sagte Francesa Melandri («Kalte Füße») auf Einladung von PEN Berlin bei einer Diskussion auf der Buchmesse, die sich bewusst als Gegenveranstaltung zum offiziellen Auftritt des Ehrengastauftritts verstand.
Behandelt wie ein räudiger Hund
«Ich wurde als Feind behandelt wie ein räudiger Hund», sagte Antonio Scurati, Autor eines mehrbändigen Werks über den faschistischen Diktator Mussolini. Ihm sei verwehrt worden, zum italienischen Nationalfeiertag im staatlichen Rundfunk zu sprechen. Er sei «persönlich angegriffen, diffamiert und zensiert» worden. «Das passiert Menschen, die kritisch sind gegen die Macht.»
«Die freie Meinungsäußerung wird bestraft in unserem Land», sagte Paolo Giordano («Die Einsamkeit der Primzahlen»). «Das ist wirklich wahr, das ist nicht nur ein Eindruck.»
Pavillon sieht aus wie Beerdigungsinstitut
Der offizielle Auftritt Italiens als Ehrengast auf der Buchmesse kam bei den Dreien gar nicht gut an. Die Einladung, die italienische Kultur in Frankfurt zu präsentieren, «könnte eine großartige Gelegenheit sein, aber das ist es nicht», sagte Melandri. Giordano sagte, es sei «vieles falsch gemacht worden».
Scurati nannte den Ehrengastland-Pavillon «hässlich, richtig hässlich. Das erinnert ja an ein Beerdigungsinstitut.» Der Pavillon präsentiere eine Version der Vergangenheit von vor 100 Jahren, kritisierte Scurati. Der Slogan des Gastland-Auftitts lautet «Wurzeln in der Zukunft». Intention der Organisatoren sei es, auf die Wurzeln des Faschismus und Neofaschismus zu verweisen, sagte Scurati.
Dieses Motto sei die Neufassung eines von Neofaschisten verwendeten Slogans, sagte der Kunsthistoriker Luciano Cheles bei einem Panel zur Sprache der italienischen Rechten. Der Begriff der Wurzeln sei als ein Verweis auf den Faschismus zu verstehen, sagte Cheles.
Reise nach Frankfurt als Form des Widerstands
Vor der Eröffnung war es zwischen italienischen Autoren und Vertretern der rechten Regierung zum offenen Streit gekommen, wer Teil der offiziellen Delegation sein darf. Der Regierung wurde vorgeworfen, regierungskritische Stimmen von der Buchmesse auszuschließen.
Im Mittelpunkt der Kontroverse stand Roberto Saviano («Falcone»), der als einer der vehementesten Kritiker von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gilt. In einem offenen Brief protestierten mehr als 40 Schriftsteller gegen offizielle Programmgestaltung, mehrere Autoren zogen sich aus Protest aus der offiziellen Delegation zurück.
Saviano kommt nun doch zur Messe – aber nur auf Einladung seines Verlags (Hanser). Am Samstag will er über «Schreiben in illiberalen Zeiten» sprechen. In der Zeitung «La Repubblica» (Dienstagausgabe) schrieb er: «Meine Anwesenheit in Frankfurt halte ich nicht für einen Sieg, sondern für eine Form des Widerstands.»
Minister kapert Gemeinschaftsstand
In Deutschland müsse man sich gefragt haben: «Warum diese Lügen, dieser zwanghafte Wunsch nach Zensur?», heißt es in dem Artikel. «Aber ich betrachte mich nicht als Gewinner. Niemand hat bei dieser Geschichte gewonnen. Wie kann man sich denn als Sieger fühlen, wenn man von drei Ministern vor Gericht gestellt wird?» Er werde benutzt, «um allen anderen eine Botschaft zu vermitteln. Das sind Formen der Einschüchterung.»
Auf der Messe sind noch weitere Veranstaltungen abseits vom offiziellen Programm im Gastland-Pavillon geplant, etwa am Gemeinschaftsstand der italienischen Verlage in Halle 5. Das literarische Programm dort wurde vom italienischen Verlegerverband kuratiert. Angekündigt wurde «ein diverses literarisches Programm». Bei der Eröffnung am Mittwoch hielt dann aber Italiens Kulturminister Alessandro Giuli eine Rede.
Bei der feierlichen Eröffnung der Buchmesse am Dienstagabend hatte er gesagt, er verteidige «die unantastbare Freiheit der Meinungsäußerung in jeder Form» – auch wenn das zu Dissens führe, «auch wenn es der Regierung, der ich angehöre, schaden könnte».
Quelle: dpa