Industrieland bleiben und trotzdem bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden, lautet das erklärte Ziel der schwarz-grünen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Wie das gehen soll, hat die Regierung jetzt in einer «Energie- und Wärmestrategie» (EWS) auf 143 Seiten zusammengefasst. Knapp 100 Maßnahmen und Ziele werden beschrieben etwa bei den Themen erneuerbare Energien, Wärmeversorgung oder Wasserstoff.
So soll in NRW die installierte Leistung von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen von 17 Gigawatt im Jahr 2023 schon bis 2030 auf insgesamt mindestens 34 Gigawatt verdoppelt werden. Für die Wasserstoffproduktion sollen bis 2030 Elektrolyseure mit einer Leistung von mindestens einem Gigawatt bereitstehen. Bei der Wärmeversorgung sollen bis dahin 30 Prozent der Wärmeversorgung aus erneuerbaren Wärmequellen gedeckt werden.
«Die notwendigen Weichen für eine sichere, bezahlbare und verlässliche Energie- und Wärmewende müssen jetzt gestellt werden», sagte Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne). Mit der EWS lege man einen konkreten und ambitionierten Fahrplan vor. Deutlich werde allerdings auch, dass in vielen Bereichen noch mehr Anstrengungen notwendig seien – etwa beim Ausbau erneuerbarer Energien, der Wasserstoffinfrastruktur und bei der Nutzung klimaneutraler Wärmequellen.
SPD-Opposition kritisiert Strategie als «unzureichend»
Die SPD im Düsseldorfer Landtag kritisierte die EWS als «unzureichend». «Das bloße Auflisten von Zielen ist kein Konzept und macht noch keine Strategie aus», erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, André Stinka. Neubaur versuche, ihren Mangel an konkreten Vorhaben zu kaschieren, indem Maßnahmen formuliert würden, die ohnehin liefen oder die kaum etwas kosteten, wie etwa Beratungen.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz äußerte sich kritisch. Viele der vorgesehenen Maßnahmen,wie etwa der Ausbau der erneuerbaren Energien, seien nur bedingt zügig umsetzbar, wenn die Bevölkerung nicht mitgenommen und transparente Planungs- und Genehmigungsverfahren durchgeführt würden, teilte der Landesverband NRW in Düsseldorf mit. Die an vielen Stellen angeführte Notwendigkeit der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren dürfe keinesfalls mit einem weiteren Abbau von Beteiligungsrechten und Umweltstandards einhergehen.
Die NRW-Energiewirtschaft lobte die Strategie. Sie beschreibe den Transformationsbedarf in den einzelnen Sektoren sehr gut, sagte der Geschäftsführer der Landesgruppe NRW des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Holger Gassner. Um die Ziele zu erreichen, brauche es jedoch Rahmenbedingungen, die Anreize für Energiewende-Investitionen schüfen. «Für eine erfolgreiche Transformation unserer Energieversorgung müssen zudem alle Akteure Versorgungssicherheit, Finanzierung, Bezahlbarkeit sowie die realistische Umsetzungsgeschwindigkeit im Auge behalten.»
Auch der Stadtwerkeverband VKU (Verband kommunaler Unternehmen) äußerte sich positiv: Die Strategie gebe allen Beteiligten eine gute Orientierung, sagte der Geschäftsführer der VKU-Landesgruppe NRW, Andreas Hollstein. «Bei der Umsetzung kommt es jetzt darauf an, wie wir die Finanzierung dieser Jahrhundertaufgabe in nur 21 Jahren lösen.»
Quelle: dpa