Dem ukrainischen Militär geht zunehmend die Munition aus., © Evgeniy Maloletka/AP/dpa

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich für Zusagen über neue Rüstungshilfen bedankt. «Es wird neue Verteidigungspakete geben, insbesondere bei der fehlenden Artillerie», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache mit Blick auf die Konferenz der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein (Pfalz).

In dem Zusammenhang nannte er speziell Deutschland und das von Berlin versprochene zusätzliche Rüstungspaket im Wert von 500 Millionen Euro. «Wir schätzen den deutschen Beitrag zum Schutz ukrainischer Leben und unserer Unabhängigkeit sehr», sagte er.

Zuvor hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei dem Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe kurzfristig weitere Munitionslieferungen zugesagt. Dafür würden 10.000 Artilleriegeschosse aus Beständen der Bundeswehr geliefert, sagte er. Mit dem neuen Paket leiste Deutschland in diesem Jahr bereits Unterstützung in Höhe von sieben Milliarden Euro an Kiew. Zu den Lieferungen zählen auch 100 gepanzerte Fahrzeuge für die Infanterie sowie 100 Transportfahrzeuge.

Die Niederlande wollen ebenfalls liefern

Die niederländische Regierung will die Ukraine im Krieg gegen Russland mit Munition im Wert von 150 Millionen Euro unterstützen. Das teilte das Verteidigungsministerium in Den Haag mit. Es gehe um Bomben für die F-16 Kampfflugzeuge, die der Ukraine zur Verfügung gestellt würden. 

Die Niederlande gehören zu der Länderkoalition, die der Ukraine Kampfflugzeuge vom Typ F-16 bereitstellt. Ukrainische Piloten werden zurzeit in Rumänien für den Einsatz der Maschinen ausgebildet. Wann das Training abgeschlossen ist und die F-16 eingesetzt werden können, ist unklar. Die Niederlande wollen insgesamt 24 F-16 in die Ukraine schicken. 

Wie das Verteidigungsministerium außerdem mitteilte, wird die Regierung zudem rund 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um gemeinsam mit anderen Ländern Drohnen für die Ukraine anzuschaffen.

Tschechischer Beschaffungsplan für mehr Munition

Litauen wird sich mit 35 Millionen Euro an einer tschechischen Initiative zur Beschaffung von Artilleriemunition für die von Russland angegriffenen Ukraine beteiligen. Die Regierung des baltischen EU- und Nato-Landes beschloss am Mittwoch in Vilnius, diese Summe für das Vorhaben bereitzustellen, mit dem Prag rund 800.000 Artilleriegranaten für die Ukraine in Staaten außerhalb der EU beschaffen möchte. 

Auch das benachbarte Lettland wird sich der Granaten-Initiative anschließen. Dazu sei mit Tschechien eine Absichtserklärung unterzeichnet worden, teilte das Verteidigungsministerium in Riga mit. Nähere Angaben wurden zunächst nicht gemacht. 

Russische Grenzregion will Ortschaften absperren

In der seit Tagen von ukrainischer Seite beschossenen russischen Grenzregion Belgorod verschärft sich die Lage weiter. Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow kündigte für die gleichnamige Gebietshauptstadt und die an der Grenze zur Ukraine gelegenen Kreise einen vorzeitigen Ferienbeginn an. Ein Teil des Unterrichts soll noch online abgewickelt werden. In sieben Kreisen wurde damit begonnen, wie in Krisengebieten Kontrollposten mit Sicherheitskräften einzurichten, die den Zugang zu Ortschaften regeln.

Bei Beschuss auf die kleine Kreisstadt Graiworon am Mittwoch seien zwei Männer getötet und zwei weitere verletzt worden, teilte Gladkow mit. Unter den Trümmern eines eingestürzten Lebensmittelgeschäfts werde eine verschüttete Frau vermutet.

Föderationsratschefin Valentina Matwijenko kündigte in Moskau eine «angemessene Antwort» auf die Angriffe sowie Vergeltung an. Die Attacken der ukrainischen Streitkräfte richteten sich gezielt gegen zivile Objekte und Städte, sagte die Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin – ohne dafür Beweise vorzulegen. Sie warf den USA, Großbritannien und der Nato vor, die Handlungen der ukrainischen Armee zu koordinieren. Auch dafür führte sie keine Belege an. Zu den Angriffen haben sich proukrainische Paramilitärs bekannt, aber keine regulären Streitkräfte Kiews.

Die Behörden in der Region Belgorod kündigten wegen der zunehmend schlechten Versorgungslage im Gebiet an, Lebensmittel auszugeben, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldete. Bereits am Vortag hatte Gouverneur Gladkow auch mitgeteilt, dass insgesamt 9000 Kinder in Sicherheit gebracht würden. Schon im vergangenen Jahr gab es nach Beschuss der Region Evakuierungen.

An den Kontrollposten sollen Bewaffnete des Innenministeriums, der Nationalgarde, des Grenzschutzes und des Verteidigungsministeriums den Zugang zu den Ortschaften regeln. «Wir werden einen sicheren Zugang bis zur jeweiligen Wohnadresse zu den Zeiten gewährleisten, wenn es keinen Beschuss gibt», sagte Gladkow. Zugleich sollten Bewohner weiter davon überzeugt werden, zu ihrer eigenen Sicherheit ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen

London: Russland will Flugzeuge und Schiffe mit Täuschung schützen

Russland will seine Kampfjets und Kriegsschiffe indes nach britischer Darstellung mithilfe von Nachbauten und anderer Täuschung vor ukrainischen Angriffen schützen. «Die russischen Streitkräfte versuchen höchstwahrscheinlich, den Einsatz sogenannter Maskirowka-Techniken zu verstärken und zu verbessern, um die schweren Verluste der vergangenen zwei Jahre sowohl in der Schwarzmeerflotte als auch in den Luft- und Raumfahrtstreitkräften abzumildern», teilte das britische Verteidigungsministerium unter Bezug auf den russischen Begriff mit.

Auf russischen Flugplätzen würden billige Nachbauten von Jets aufgestellt oder Maschinen mit Reifen bedeckt, es gebe zudem Berichte über auf den Boden gemalte Flugzeugsilhouetten, hieß es in London weiter. Bug und Heck von Kriegsschiffen würden schwarz bemalt, um die Boote kleiner wirken zu lassen. An den Kais würden Umrisse von den Schiffen aufs Pflaster gepinselt. Dazu zeigte das britische Ministerium eine Luftaufnahme eines vor Anker liegenden U-Boots im Hafen von Noworossijsk und daneben einer Silhouette.

EU wieder für Zölle für bestimmte Agrarprodukte aus Ukraine

Die EU will zur Unterstützung europäischer Landwirte wieder Zölle auf hohe Mengen bestimmter Agrarprodukte aus der Ukraine einführen. Darauf einigten sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments in Brüssel. Konkret geht es nach Angaben des Parlaments um Eier, Geflügel und Zucker sowie Mais, Hafer, Grütze und Honig.

Für diese Waren soll es künftig ein gewisses Kontingent geben, das zollfrei in die EU verkauft werden darf. Wenn diese Menge erreicht ist, werden wieder Zölle fällig. Für die Einfuhr von Weizen sollen zunächst weiter keine Zölle gelten, allerdings sollen unter bestimmten Bedingungen Maßnahmen ergriffen werden können. Diese Regeln sollen nach der vorläufigen Einigung bis Juni 2025 gelten.

Die EU hatte nach dem Angriff Russlands auf sein Nachbarland Zölle ausgesetzt, um die ukrainische Wirtschaft zu stärken. Die nun erzielte Einigung muss noch formell vom Parlament und die EU-Staaten abgenickt werden.

Quelle: dpa