Einer der Schwerpunkte russischer Angriffe ist die Umgebung der Kleinstadt Awdijiwka. Dort ist der ukrainische Oberleutnant Wolodymyr Golubnychyi gefallen, der nun in Kiew beerdigt wurde., © Evgeniy Maloletka/AP

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Russlands Präsident Wladimir Putin hat in Moskau eine Rede zur Lage der Nation gehalten. Er warnte den Westen erneut vor der Schlagkraft der Waffen der Atommacht. Der Westen solle bei seinen Drohgebärden daran denken, dass auch Russland Waffen habe, die auf dem Gebiet dort Ziele treffen könnten, sagte er vor mehr als 1000 Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion. Der 71-Jährige betonte, dass eine Eskalation und ein Einsatz von Atomwaffen zur «Auslöschung der Zivilisation» führen könnten.

Der Kremlchef warnte die Nato-Staaten davor, Militärkontingente in die Ukraine zu entsenden, um gegen russische Truppen zu kämpfen. Die Folgen eines solchen Schrittes könnten tragisch sein, sagte er. Zugleich wies der Präsident Behauptungen, dass Russland den Westen angreifen wolle, als «Blödsinn» zurück.

Der Krieg gegen die Ukraine wird nach Putins Darstellung von der «absoluten Mehrheit der Bevölkerung» unterstützt. Er dankte den Bürgern und den Unternehmern für die Unterstützung bei der «militärischen Spezialoperation». Das Volk arbeite in drei Schichten, um die Bedürfnisse der Front zu decken. Für die Gefallenen rief er eine Schweigeminute aus. Putin erinnerte auch an den 10. Jahrestag der Krim-Annexion, als Russland 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel einverleibte. Das Land schaue mit Stolz auf das Ereignis und das Erreichte. «Zusammen können wir alles schaffen», so Putin.

Schwere Kämpfe in der Ostukraine

Knapp zwei Wochen nach der russischen Eroberung des ostukrainischen Awdijiwka hat die ukrainische Armee Probleme, die Frontlinie westlich der Ruinenstadt zu stabilisieren. Harte Kämpfe fänden an dem Frontabschnitt entlang der Linie der Dörfer Tonenke, Orliwka, Semeniwka und Berdytschi statt, teilte der ukrainische Oberbefehlshaber, Olexander Syrskyj, bei Telegram mit.

Der Generaloberst war extra an den Abschnitt im Donezker Gebiet gereist, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Er warf mehreren Kommandeuren Fehleinschätzungen vor. Dadurch seien die ukrainischen Einheiten in Bedrängnis geraten.

Aus Orliwka konnten Syrskyj zufolge russische Einheiten wieder verdrängt werden. Zudem seien neue Reserven und zusätzliche Munition zugeteilt worden, um «die Situation vor Ort zu verbessern». Tags zuvor hatten Moskauer Militärbeobachter über einen Vorstoß der russischen Truppen nach Orliwka, aber auch nach Tonenke und Berdytschi berichtet.

Der ukrainische Generalstab bestätigte vorherige Berichte russischer Militärblogger über einen weiteren Schlag auf eine russische Einheit mittels Raketenwerfersystemen. Demnach sind bei Oleniwka im Donezker Gebiet 19 russische Soldaten getötet und 12 verletzt worden. Zudem hat die ukrainische Luftwaffe nach eigenen Angaben zwei weitere russische Kampfflugzeuge des Typs Suchoi Su-34 abgeschossen. Damit wären seit dem Fall von Awdijiwka bereits ein Dutzend Flugzeuge darunter ein Aufklärungsflugzeug der russischen Armee abgeschossen worden. Unabhängige Bestätigungen für alle Abschüsse liegen nicht vor.

Selenskyj drängt auf weitere militärische Unterstützung

Angesichts der schweren Lage an der Front hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einmal mehr um militärische Unterstützung aus dem Westen geworben. «Die globale Stabilität beruht ausschließlich auf dem Mut und der Hingabe der ukrainischen Kämpfer und unserer ganzen Nation», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Es sei offensichtlich, dass Putins Ambitionen weit über die Ukraine hinaus reichten.

«Eine Welt, in der der Terror gewinnt, würde niemandem gefallen. Deshalb muss Putin verlieren», sagte Selenskyj. Er fügte hinzu: «Unsere Leute in der Ukraine sind in der Lage, das zu gewährleisten – mit ausreichender Unterstützung.» Zugleich zeigte er sich zufrieden mit seinen Besuchen in Albanien und Saudi-Arabien in den vergangenen Tagen. 

Selenskyj sichert sich Unterstützung des Balkans

Bei einem Gipfel der südosteuropäischen Staaten in der albanischen Hauptstadt Tirana hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die öffentliche Unterstützung der Teilnehmer für seine Friedensinitiative gesichert. «Russlands unprovozierte militärische Aggression gegen die Ukraine bleibt die größte Gefahr für die europäische Sicherheit und den internationalen Frieden», hieß es in der Deklaration. Diese wurde auch von Serbiens Präsident Aleksandar Vucic mitgetragen, dem Kritiker vorhalten, sich den Interessen Russlands aus politischem Kalkül nicht zu widersetzen.

Die Unterzeichner sicherten ebenfalls zu, an einem im Frühjahr von der ukrainischen Führung geplanten Friedensgipfel in der Schweiz teilzunehmen. Zu den Unterzeichnern gehörten neben Vucic die Präsidenten von Moldau, Nordmazedonien und dem Kosovo sowie die Regierungschefs von Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien und Rumänien.

Tschechien sammelt zudem mit Nachdruck finanzielle Unterstützer für das Vorhaben, große Mengen Artilleriemunition für die Ukraine in Nicht-EU-Staaten zu kaufen. Derzeit liefen mit verschiedenen Ländern «intensive Verhandlungen», bestätigte eine Sprecherin von Ministerpräsident Petr Fiala in Prag. Bisher hätten rund 15 Staaten ihre Bereitschaft signalisiert, sich daran zu beteiligen.

Scholz verspricht: Keine deutschen Soldaten in die Ukraine

Die Ukraine wehrt seit über zwei Jahren mit massiver Militär- und Finanzhilfe aus dem Westen eine russische Invasion ab. Deutschland gehört zu den wichtigsten Unterstützern. Allerdings hat Kanzler Olaf Scholz der Bundeswehr und der deutschen Bevölkerung versprochen, dass sein Nein zu einer Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine eine unverrückbare rote Linie ist. «Um es klipp und klar zu sagen: Als deutscher Bundeskanzler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden», sagte er in einer Videobotschaft. Die Nato werde nicht zur Kriegspartei werden.

Am Montag hatte der französische Präsident Emmanuel Macron nach einem Treffen von etwa 20 Staats- und Regierungschefs in Paris einen Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht ausgeschlossen.

Britische Königin Camilla empfängt Selenskyjs Frau

Großbritanniens Königin Camilla hat indes mehr als zwei Jahre nach Beginn von Russlands Angriffskrieg die First Lady der Ukraine empfangen. Camilla begrüßte die Frau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Olena Selenska, in ihrer Londoner Residenz Clarence House. Der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge unterhielten sich die beiden etwa eine halbe Stunde.

Selenska veröffentlichte bei Instagram Bilder ihres Besuchs. Sie bedankte sich bei der Königsfamilie und dem gesamten Vereinigten Königreich «für die konsequente Unterstützung der Ukraine», die Aufnahme von etwa 200.000 ukrainischen Flüchtlingen und die regelmäßigen Treffen. «Ich bin überzeugt davon, dass unsere Völker gemeinsame Werte haben: Leben, Freiheit, Demokratie. Wir werden sie weiter gemeinsam verteidigen.»

Quelle: dpa