Ein überdurchschnittlich hoher Krankenstand bei Beschäftigten in Kitas belastet die angespannte Personalsituation in den Einrichtungen in NRW zusätzlich. Einer aktuellen Analyse von Krankenkassen-Daten zufolge waren Beschäftigte in der Kinderbetreuung an rund 30 Tagen im Jahr arbeitsunfähig. Im Durchschnitt aller Berufsgruppen gab es nur etwa 20 Krankheitstage pro Person, wie die Bertelsmann-Stiftung und das Fachkräfte-Forum, in dem Fach- und Leitungskräfte der Branche organisiert sind, mitteilten. Berufsverbände sehen darin einen Beleg für die andauernde Überbelastung des Personals und politische Versäumnisse.
Die Stiftung, die auch das Fachkräfte-Forum berät, stützt sich bei ihrer Auswertung im Wesentlichen auf Daten der DAK-Krankenkasse, bei der 12,2 Prozent der Beschäftigten in der Kinderbetreuung versichert seien. Auch der Stiftung vorliegende Zahlen anderer Krankenkassen bestätigten den Trend, hieß es weiter.
NRW liegt mit Krankenstand in Kitas knapp über Bundesdurchschnitt
Um die Ausfallzeiten durch Krankheit, Urlaub und Fortbildungen aufzufangen, bräuchte es laut Stiftung allein in Nordrhein-Westfalen knapp 20.000 zusätzliche Fachkräfte in Vollzeit. Kostenpunkt: knapp 1,2 Milliarden Euro jährlich, die die Personalsituation zumindest kurzfristig stabilisieren würden, wie die Stiftung vorrechnet.
Im Bundesländervergleich weicht Nordrhein-Westfalen mit 30,5 Fehltagen wegen Arbeitsunfähigkeit damit nur gering vom deutschlandweiten Durchschnitt von 29,6 Prozent ab.
Während in den ostdeutschen Ländern noch mehr Krankheitstage anfallen (34 sind es im Durchschnitt der Flächenländer), ist die Abweichung etwa in Baden-Württemberg mit 22,6 Fehltagen oder Bayern mit 23,8 Fehltagen weniger ausgeprägt, wenngleich dort auch insgesamt Arbeitnehmer seltener krankgeschrieben sind (jeweils etwas mehr als 17 Tage).
In Nordrhein-Westfalen klagen Träger allerdings angesichts gestiegener Löhne schon jetzt über eine Unterfinanzierung des Personals. Früheren Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung zufolge fehlen allein im bevölkerungsreichsten Bundesland fast 28.000 Fachkräfte.
Berufsverband: Personalmangel verstärkt sich selbst
«Viele Kita-Leitungen sind schon erleichtert, wenn der Betrieb überhaupt ohne größere Ausfälle aufrechterhalten werden kann», schilderte Stefan Behlau, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in NRW. Dies führe zu Frustration und Demotivation. «Der hohe Krankenstand erzeugt zusätzlichen Druck und verstärkt die Belastungen, was letztlich zu einem ungesunden Arbeitsumfeld führt – der Personalmangel verstärkt sich somit selbst», erklärte er.
«Jahrzehntelange Versäumnisse und eine nicht bedarfsdeckende Finanzierung» fallen den Beteiligten nun auf die Füße, kritisierte Ayla Celik, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW. Das Recht der Kinder auf gute frühkindliche Bildung dürfe nicht länger missachtet werden.
Auch aus der Opposition kam Kritik: Für Marcel Hafke, familienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, sind die Krankenstände «deutliches Alarmsignal für die akute Überbelastung» von Erzieherinnen und Erziehern. Er plädierte für eine schnelle Integration von Quereinsteigern in den Kita-Alltag – ein Vorschlag, den das Fachkräfte-Forum und die Bertelsmann-Stiftung eher kritisch sehen.
Experten warnen vor Absenkung der Qualitätsstandards
Der Personalnot dürfe nicht mit einem Absenken der pädagogischen Qualifizierungsstandards begegnet werden, mahnt das Fachkräfte-Forum: «Beschäftigte ohne ausreichende pädagogische Qualifikation müssen in der Arbeit mit den Kindern enger durch die vorhandenen Fachkräfte begleitet werden – was deren Zeit noch mehr beansprucht», heißt es in dem Positionspapier.
Es brauche stattdessen eine gesetzlich verankerte und bundesweit standardisierte Finanzierung für Vertretungen durch qualifiziertes Personal für alle Ausfallzeiten, so die Forderung. Bisher fehle eine verlässliche Regelung dazu auch in Nordrhein-Westfalen, heißt es bei der Stiftung.
Quelle: dpa