Nach dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern ohne eine Grundsatzentscheidung über dauerhaft höhere Bundesmittel haben SPD-Politiker erneut eine stärkere Entlastung der NRW-Kommunen durch die Landesregierung gefordert. Das schwarz-grüne Kabinett sollte endlich die notwendigen 70.000 Plätze in landeseigenen Einrichtungen schaffen, sagte der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Justus Moor, am Donnerstag.
Seit Monaten stagniere die Zahl bei 30.000. 2016 habe es über 85.000 Plätze gegeben. Auch sollte die Landesregierung den Kommunen Bundesmittel komplett weiterleiten. Das forderte auch der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik in NRW, Frank Meyer. «Berlin liefert – die Landesregierung zaudert», sagte Meyer, der Krefelder Oberbürgermeister ist, mit Verweis auf die zusätzliche eine Milliarde Euro des Bundes. Die Kommunen benötigten auch Unterstützung für den Aufbau neuer Schul- und Kita-Plätze.
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) will weiter für eine nachhaltigere Finanzierung kämpfen. «Länder und Kommunen haben dasselbe Ziel: Es geht uns um Verlässlichkeit und Planbarkeit bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten», sagte er am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Daran werde in den kommenden Wochen und Monaten weiter gearbeitet. «Bund und Länder tragen gemeinsam die Hauptlast der Aufgaben im Bereich Migration bei Aufnahme, Unterbringung, Integration, Beschulung und Betreuung», betonte Wüst.
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) kritisierte den Ausgang des Treffens. «Die Ergebnisse des Gipfels entsprechen nicht dem, was wir als Kommunen brauchen und auch erwarten», sagte sie. Die Unterbringung, Betreuung und Integration von Geflüchteten sei eine Daueraufgabe und stelle die Kommunen vor Herausforderungen, die ohne adäquate Finanzierung durch den Bund nicht zu bewältigen seien. Schon gar nicht mit einer Einmalzahlung, die bei weitem nicht auskömmlich sei angesichts von über 10.000 Kommunen in Deutschland. Der Zeitplan mit einer Entscheidung im November verkenne die aktuelle Situation.
NRW-Familien- und Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) bezeichnete die vom Bund für das Jahr 2023 zugesagte Erhöhung der Flüchtlingspauschale um eine Milliarde Euro als einen ersten Schritt. Es brauche eine dauerhafte Finanzierung, die sich dynamisch an die tatsächlichen Zahlen der Geflüchteten anpasse und neben Unterbringung und Versorgung auch die Kosten der Integration berücksichtige, sagte die Landesministerin der «Rheinischen Post» (Donnerstag).
Nötig sei ein Gesamtkonzept beim Thema Migration. Um Integration von Beginn an fördern zu können sei es notwendig, dass der Bund Pläne zur Mittelkürzung im Bereich der Erstorientierungskurse zurücknehme. Die Kompetenzen von Geflüchteten müssten früher erfasst, ausländische Bildungs- und Berufsabschlüsse schneller anerkannt und Arbeitsverbote aufgehoben werden, zählte Paul auf. Zu einem Gesamtkonzept gehörten vor allem Migrationsabkommen, die Wege legaler und sicherer Migration ermöglichten sowie die Rücknahmebereitschaft von Herkunftsländern für Menschen erhöhten, die hier keine Bleibeperspektive hätten.
In der Debatte um die Finanzierung der gestiegenen Kosten sieht die SPD-Landtagsfraktion in der Einführung einer monatlichen Pro-Kopf-Pauschale den richtigen Weg. «So viel Zeit muss jetzt sein», sagte Moor mit Blick auf die Arbeitsgruppe, die Entscheidungen vorbereiten soll. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder wollen bei ihrer regulären Zusammenkunft Mitte Juni den Zwischenstand beraten.
Der Bund hatte bei dem Treffen eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr zugesagt. Über die künftige Verteilung der Kosten soll aber erst im November entschieden werden. Zuvor hatte der Bund für 2023 bereits 1,5 Milliarden Euro für Flüchtlinge aus der Ukraine sowie 1,25 Milliarden Euro für andere Geflüchtete zugesagt.
Im Beschluss von Bund und Ländern heißt es, die Zusatz-Milliarde zur Flüchtlingspauschale werde 2023 fließen, «damit die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren». Eine Zweckbindung im engeren Sinne sei das nicht, hieß es auch in Düsseldorfer Regierungskreisen. Die Milliarde werde nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt. Für Nordrhein-Westfalen sind das rund 21 Prozent.